Ohne Energie läuft nichts

Seit 1921 wurde im Institut für Wärme- und Kraftwirtschaft des DÜV der Zechen zu Essen e.V. rund um Wirtschaftlichkeit, saubere Prozesse und effizienten Mitteleinsatz geforscht. Seit den 50er und 60er Jahren wurden neben Kesseln und Kohle auch Gasturbinen und Turbogeneratoren unter die Lupe genommen. Hauptauftraggeber waren Bergbaubetriebe im Ruhrrevier, die Hersteller energieerzeugender Anlagen sowie anschließend ihre Betreiber, also (öffentliche) Energieversorger wie RWE, STEAG, VKR, später E.ON. 

Rauchrohrkessel Solbeck

Parallel zur Entwicklung von Untersuchungsmethoden wurde an der automatisierten Erfassung gewonnener Daten und deren Auswertung geforscht und gefeilt – erste Schritte auf dem langen Pfad der Digitalisierung. Anderes, nicht ganz zufälliges Nebenprodukt der Arbeit der wärmewirtschaftlichen Abteilung war eine gleichzeitig Forschungstätigkeit mit Chemikern, Biologen, Botanikern und Meteorologen in den Bereichen Luft- und Wasserreinheit: Schon in der „Rauch- und Rußklausel“ von 1909 wurde eine möglichst emissionsfreie Verbrennung als Indikator für effiziente Energieproduktion benannt. Auch dies ein Vorbote, hier in punkto Umwelttechnik.

Seit 1959 konnte in Deutschland Kernenergie per Gesetz friedlich genutzt werden. Die damit verbundenen hohen Sicherheitsauflagen machten eine Zusammenarbeit mit den Sachverständigen der Technischen Überwachungsvereine, die über detailliertes technisches Fachwissen und einen breiten Erfahrungsschatz verfügten, quasi unerlässlich. In allen Bereichen, von der Herstellungsüberwachung über die Werkstoff- und Komponentenprüfung bis hin zur Begutachtung kompletter Systeme oder im Hinblick auf die Beherrschung von Störfällen waren die TÜV-Mitarbeiter in der Praxis ebenso gefragt wie in der Theorie bei der Erarbeitung von Vorschriften und Richtlinien. 

THTR Hamm-Uentrop

Der RWTÜV gründete 1968 eine eigenständige Abteilung Kernenergie und Strahlenschutz. In den 70er Jahren wuchs die Mitarbeiterzahl in der Kerntechnik auf 130 Personen, unterstützt durch zusätzliche rund 100 Sachverständige aus anderen Abteilungen. Last but not least öffnete die Kerntechnik auch ein Tor ins Ausland: 1977 wurde der RWTÜV mit der sicherheitstechnischen Begutachtung des Baus des Atomkraftwerkes ANGRA II in Brasilien beauftragt. Die Entscheidung der NRW-Regierung Ende der 80er Jahre, auf Kerntechnik zu verzichten, traf den RWTÜV entsprechend hart: Aufträge blieben aus, Mitarbeiter und teure Laborgeräte waren nicht mehr ausgelastet.

Die damalige Geschäftsführung des RWTÜV nutzte jedoch diese erste Nachkriegskrise für einen Umbau von einer „halbstaatlichen“ Prüforganisation hin zu einem modernen, wachstumsorientierten Dienstleistungsunternehmen, und legte damit den Grundstein für Gesundung und erfolgreiches Wachstum.

Mit diesem Aus für die Kernenergie fiel bei stetig wachsendem Energiebedarf der Startschuss für die Energiewende, wenn auch zunächst nicht unter ökologischen Gesichtspunkten. Noch waren Kohle, Öl und später Erdgas die Energielieferanten der Wahl.
Die Ingenieure des RWTÜV prüften im ausgehenden 20. Jahrhundert den Aufbau und begleiteten den Betrieb von Kohlekraftwerken, Raffinerien, Ölleitungen von den Häfen an den Küsten ins Landesinnere. Sie prüften und zertifizierten Planungen, Baupläne, Komponenten und Systeme von Flüssiggasanlagen, Kugelbehälter für die Lagerung oder Heliumturbinenkraftwerke und wirkten so bei der Sicherung der Energieversorgung des Landes mit.
 

Im Zuge intensiver Umstrukturierung und Neuausrichtung des RWTÜV wurden die beschriebenen Aufgaben und daraus entstandenen Folgedienstleistungen 2004 im Rahmen einer Fusion in die TÜV Nord AG eingebracht. Die RWTÜV Gruppe blieb mit 36,1% Anteilseigner dieser Unternehmung.